Wenn Barbara Streiff vom Sticken spricht, glänzen ihre Augen. Sticken ist ihre grosse Leidenschaft, die sie seit der Kindheit in den Bann zieht. Bereits im Alter von vier Jahren hat sie damit begonnen. Vermutlich war es ihre geliebte Grossmutter, die Gobelin stickte und ihre Begeisterung dafür auf die kleine Barbara übertrug. Die Grossmutter war es auch, die ihrer Enkelin jene vorgezeichneten und vorgelochten Postkarten gegeben hatte, deren Blumen- und Tiermotive Barbara mit farbigen Garnen nachsticken durfte. Bald kam auch anderes dazu: Turnsäcke, Halstücher, alles Mögliche hatte Barbara bestickt. Und seit sie pensioniert ist und über mehr Zeit verfügen kann, ist diese Passion aus der Kindheit wieder aufgeflammt. Wenn sie aus irgendwelchen Gründen einmal ein paar Tage nicht sticken kann, machen sich Entzugserscheinungen breit. Es geht nicht ohne!
Manuela Hitz, die künstlerische Leiterin des Musée Visionnaire, die – wie Barbara Streiff im Zürcher Niederdorf wohnt – weiss um die Leidenschaft von Barbara. Im Gespräch wuchs die Idee, Barbara Streiff als Hausstickerin fürs Musée Visionnaire zu motivieren. Die stylischen Einkaufstaschen im Shop zum Beispiel sind ein Produkt von ihr. Vor mehr als einem Jahr erzählte Manuela beiläufig von der geplanten Ausstellung zu Harald Naegeli, worauf die Idee für die gestickten Karten mit den Naegeli-Motiven sozusagen schon Gestalt angenommen hatte. «Die linearen Zeichnungen von Naegelis Sprayfiguren sind geradezu prädestiniert zum Nachsticken», schwärmt die passionierte Stickerin. Kommt dazu, dass die Naegeli-Figuren bei der im Aargauischen aufgewachsenen Barbara Streiff schon einen nachhaltigen Eindruck hinterliessen, als sie mit 16 Jahren die Lehre als Vergolderin an der Predigergasse antrat. Das war in den 1970er-Jahren, als Naegeli seine nächtlichen Aktivitäten gerade aufgenommen hatte und noch niemand wusste, wer dahintersteckt. «Ich war auf Anhieb hin und weg von diesen Figuren. Sie waren einfach speziell, so ganz anders als alles, was ich bis dahin an Kunst kannte, und berührten mich zutiefst. Dass sie plötzlich wieder weg waren, machte sie noch geheimnisvoller», erinnert sie sich. «Sie nachzusticken heisst auch, sie zu bewahren. Das ist Balsam für meine Seele und hat – wie übrigens das Vergolden auch – eine meditative Komponente, die mich glücklich macht.»